Archiv für das Jahr: 2019

Unter ! wegs im Oktober

Im Oktober wurde es deutlich herbstlicher – und dann ging es nach Japan.

Trepp auf, Trepp ab

Wellington, 01. November 2019

Heute war ich im Wellington Museum. Früher hieß es Museum of Wellington and of the Sea, was es irgendwie besser trifft. Es ist eine Sammlung von allen möglichen Dingen, die entweder mit Wellington oder der See oder beidem zu tun haben. Das sorgt für ein paar Stunden kurzweilige Unterhaltung. Es werden aber auch ernste Themen angesprochen, wie ein Fährunglück in den 1960er Jahren und die Diskriminierung anderer Bevölkerungsgruppen.

Meinen Lunch aß ich wieder unten am Hafen bei schönstem Sonnenschein. Es folgte eine Runde im Cafe des Te Papa.

Am Hafen.

Da es heute nicht so spektakuläre Programmpunkte gab, möchte ich mit ein paar Fotos illustrieren, wie in Wellington gebaut wird. Das ist für uns Flachland-Bewohner nämlich überaus bemerkenswert.

Wellington liegt in einer sehr hügeligen Gegend. Es geht steil hoch und runter, weswegen die Häuser in die Hügel gleichsam eingebaut werden. Hauptbaustoff für die Häuser ist Holz. Es sind in Wellington nämlich mehrere Besonderheiten zu beachten. Zum einen ist es natürlich wie der Rest von Neuseeland Erdbebengebiet. Also muss erdbebensicher gebaut werden. Wellington heißt auch „Windy Wellington“, weil es viele Stürme gibt. Der Wind vom Südpol kommt hier ungebrochen durch irgendwelche Landmassen an. Auch dem müssen die Häuser trotzen können. Es wird zwar nicht besonders kalt, und es gibt selten Frost. Aber es regnet viel und die Luftfeuchtigkeit ist durch das Meeresklima sehr hoch. Daher müssen die Häuser auch dieser Schwierigkeit trotzen. Und in diesem Punkt weist die traditionelle neuseeländische Bauweise noch Verbesserungspotential auf. Die Häuser werden nämlich in der Regel ohne Heizung gebaut. Das ist für uns völlig unvorstellbar. Wir fangen ja auch nicht erst an zu heizen, wenn die Temperaturen unter Null fallen, sondern weitaus schon vorher. Und zum anderen bekommt man ohne eine Wärmequelle die Feuchtigkeit nicht aus den Häusern. Erst in letzter Zeit ist vorgesehen, dass neu zu bauende Häuser eine Isolierung haben müssen. Diese Isolierung ist aber mit unseren Standards nicht zu vergleichen. Wenn überhaupt, dann gibt es in den Häusern kleine elektrische Heizkörper. Wer so etwas mal betrieben hat, weiß, dass es dann nur direkt vor der Heizung warm ist und es so gut wie keinen Speichereffekt gibt.

Viele Häuser sind auf Stelzen gebaut, um mit der bergigen Umgebung klar zu kommen und auch wegen der Erdbebensicherheit. Das hat zur Folge, dass unter dem Fußboden der Wind lang pfeifft und solche Häuser sehr fußkalt sind.

Carport auf Stelzen – gute Aussichten für Autos.
Häuser in die Hügel hinein gebaut.
System von Stelzen.
Fahrstuhl am Haus.

Die Umgebung führt auch dazu, dass manche Häuser sehr steile Zugangswege haben. Manche behelfen sich mit einer Art Fahrstuhl, andere sehen das als Fitnessstudio-Ersatz. Das zeigt sich letztlich auch in dem ewigen Trepp auf, Trepp ab auf den Wegen. Ich habe hier jedenfalls nach dem ersten Tag schon Muskelkater gehabt, was in Tokyo nie der Fall war.

Treppe runter.
Treppe rauf.

Es ist also am besten, man kommt im Sommer nach Neuseeland. Aber wer käme schon auf die Idee, in unserem Sommer in den Winter am anderen Ende der Welt zu fahren?

Halloween

Wellington, 31. Oktober 2019

Das Wetter war wieder schön, und so lief ich erneut hinunter in die Stadt. Einen Stopp legte ich bei der Deutschen Bäckerei ein, um meine Freundin und mich mit Brötchen für heute Abend und die ganze Familie mit Brot zu versorgen. Das Brot wurde mit „Holsteiner Wholemeal“ bezeichnet. Innen ist es nicht ganz, was wir darunter verstehen würden. Aber man kann den Kiwis hier auch nicht ernsthaft ein Schwarzbrot vorsetzen.

Holsteiner-Brot und Jogging-Brötchen.

Im Te Papa setzte ich mich erstmal ins Cafe, um das kostenlose WLAN zu nutzen. Schließlich musste ich noch zwei Blog-Beiträge nachschreiben. Wahrscheinlich wird das in den nächsten Tagen so gehen: Beiträge vorbereiten, im Cafe finalisieren und online stellen. Aber ich wollte ja schon immer mal mit meinem Computer in einem Cafe sitzen und unheimlich wichtig sein.

Im Te Papa habe ich aber auch noch eine Ausstellung besucht, und zwar „Blood, Earth, Fire“. Es ging um die Veränderungen, die in Neuseeland über die Zeit durch die Besiedlung mit Menschen statt fanden. Das fing mit der Ankunft der Ureinwohner an, die Auswirkungen auf Flora und Fauna hatte. Einen größeren Einfluss hatte dann die Ankunft der Europäer. Die Landschaft Neuseelands veränderte sich von einer ursprünglich fast flächendeckenden Bewaldung in hauptsächlich landwirtschaftlich genutzten Flächen, mal abgesehen von den Städten. Auch die intensive Schafshaltung veränderte die Landschaft enorm.

In der Ausstellung wurde erwähnt, dass die Verarbeitung der Wolle in Form von Spinnen und Weben erst in den 1960er Jahren einsetzte, dann auf einem künstlerischen Level und nicht industriell. Das war mir neu, und ich fand es auch erstaunlich. In England wurde die Wolle ja dort verarbeitet, wo sie auch anfiel. Erst handwerklich, dann industriell. Und ob man sich von Spinnen und Weben in Handarbeit ernähren kann, bezweifle ich ein wenig.

Nach dem Bildungsprogramm kaufte ich im New World Supermarkt, der sich nur wenige Meter neben dem Te Papa befindet, ein und machte mit Blick auf den Yachthafen ein Picknick am Wasser. Gesellschaft bekam ich von ein paar lokalen Spatzen, die von mir keine Brotkrümel bekamen, sondern Walnussstücke. Das fanden sie sehr seltsam und probierten überaus vorsichtig.

Lunch-Ausblick.

Nach einem kleinen Spaziergang entlang der Promenade machte ich mich dann auf den Rückweg.

An der Promenade.
An der Promenade.
Klavier zur freien Benutzung.
Am Civic Square.

Nach oben ging es wieder am Cable Car vorbei

Wellington Cable Car.

Um kurz vor 16 Uhr ging es zur Gymnastik (die Kinder, nicht ich). Und dann war Halloween. Das war natürlich die Hauptattraktion des Tages überhaupt.

Halloween findet hier im Frühling und im Hellen statt. Das trägt viel dazu bei, dem ganzen einen fröhlichen und ausgelassenen Charakter zu geben. Viele Häuser waren entsprechend geschmückt, so dass man gleich wusste, dass sich hier das Klingeln lohnt. Die Deko reichte von ein paar aufgehängten Spinnen bis zu Skeletten im Vorgarten. Einer hat sogar zusätzlich für gruselige Geräusche gesorgt.

Gruselige Hexe im Briefkasten.
Gruseliger Drache als Hauswächter.
Gruselige Fußabdrücke.
Gruseliges Skelett im Vorgarten.

Der in der Nachbarschaft wohnende Zahnarzt verteilt übrigens kleine Tuben Zahnpasta statt Süßigkeiten. Das ist ja mal ein Statement.

Gruseliger Wegweiser.

Nach gut zwei Stunden waren die Tüten voll und die Füße müde. Es war jedenfalls mal ein Erlebnis, auch wenn ich wohl nie ein großer Halloween-Fan werde. Auf alle Fälle war es ein vergnüglicher Abend.

Fair Isle Strickjacke

Ein Jahr und neun Monate. So lange habe ich an dieser Strickjacke gearbeitet. Nun bin ich extrem stolz.

Fair Isle Strickjacke.

Es war eine Herausforderung für mich, die Techniken zu meistern. Ich habe unendlich viel dabei gelernt.

Nahaufnahme vom Muster.

Zum einen: Mehrfarbiges Stricken.

Yoke und Knopf.

Zum anderen: Yoke. Hierzu hatte ich sogar im letzten Jahr einen Workshop in Edinburgh. So war ich schon gut darauf vorbereitet. Aber mit den vielen Farben war es dann in der Praxis bei der Strickjacke doch noch mal ein wenig anders.

Zum weiteren: Suche die Knöpfe erst aus, wenn die Strickjacke fertig ist. Ich habe zwischendrin beim Stricken gedacht, ich müsse nun endlich die Knöpfe kaufen und habe hübsche Holzknöpfe ausgesucht. Die waren dann aber viel zu groß und klobig für die Jacke. also bin ich spontan los zum Wolleladen meines Vertrauens und habe andere ausgesucht.

Oben schön.

Die Ärmel sind ebenfalls Fair Isle, aber immerhin mit einem etwas leichteren Muster, so dass es schneller ging.

Ärmel schön.

Außerdem habe ich Steeken gelernt. Die Strickjacke wird im ersten Schritt in Runden auf der Rundstricknadel gestrickt. Erst der Körperteil bis zu den Ärmelansätzen, dann die zwei Ärmel. Alles wird zusammengefasst und dann kommt das Yoke, also die Abnahme oben am Halsteil, welche die typische runde Form oben ergibt. Hintergrund dafür ist, dass es sich mehrfarbig in Runder schneller strickt als in Reihen, denn in den Runden muss man nur rechte Maschen stricken und kann außerdem die andere Farbe leichter mitführen als bei linken Maschen. Das bedeutet aber, dass gesteekt werden muss. Dafür wird das Gestrick vorne durchgeschnitten. Ja, du liest richtig. An dieser Stelle habe ich mein Werk erstmal zwei Wochen lang angeschaut, bis ich genug Mut hatte, die Schere anzusetzen. Eigentlich ist alles nicht so schlimm, weil man zwei Sicherheitslinien rechts und links vom Schnitt hochhäkelt, dann schneidet und die Ränder umklappt und festnäht. Es ist also nicht so, als ob da Maschen laufen könnten. Aber allein die Vorstellung…

In ihrer ganzen Pracht.

Ein Wort noch zur Wolle. Unten steht so schlicht: 100 % Wolle. Das Garn ist aber von verschiedenen seltenen Schafsrassen gesponnen, so zum Beispiel Teeswater, Wensleydale and Leicester Longwool. Außerdem enthält sie 30% Cornish Mule, eine weitere seltene Schafsrasse. Die Farben sind nach Cornischen Flüssen benannt, da die Firma dort ihren Ursprung hat.

Nun ist die Jacke fertig, und der Winter kann kommen. Sie ist schön warm, da sie sozusagen doppelt ist. Ich freue mich schon darauf, sie zu tragen.

Details:

  • Wolle: Blacker Yarns/Tamar Lustre Blend 4ply
  • Material: 100 % Wolle
  • Farben: Kensey, Red River, Camel, Shales Brook, Tresillian, Whity Brook, Ottery
  • Größe: 34
  • Nadeln: 2,5 mm und 3 mm
  • Muster: Mary Henderson/Cardigan Jura (The Knitter D)

Erste Schritte in Wellington

Wellington, 30. Oktober 2019

Heute unternahm ich erste Schritte in Wellington, und davon gar nicht mal wenige.

Die Sonne scheint, es ist ein wenig kühler als in Japan, aber dafür Frühling: Was will man mehr?

Frühling!

Von meiner Freundin aus kann ich in ca. einer Stunde in die Stadt hinter laufen. Dabei komme ich an einer deutschen Bäckerei vorbei,

Deutsche Bäckerei – Dein Freund überall…

der Station vom Cable Car, dem Botanischen Garten, der Uni und dann bin ich schon fast unten beim Hafen. Und ich bin auch hier wieder auf so eine seltsame WLAN-Telefonzelle gestoßen. Irgendwie scheint das ein Trend zu sein.

High Tech Telefonzelle.

Das letzte Mal war ich vor neun Jahren hier. Den Weg konnte ich aber noch einigermaßen. Als erstes ging ich shoppen, und zwar in einem Outdoor-Shop, wovon es kurz vor dem Civic Square wirklich eine Menge gibt. Ich mag die Kleidung der neuseeländischen Firma Icebreaker unheimlich gern. Die ist hier nicht unbedingt billiger als bei uns, aber es gibt eben alles! Und diese Auswahl genieße ich sehr.

Ausblick über Wellington vom Cable Car.
Noch mehr Wellington.

Um 12 Uhr traf ich mich mit meiner Freundin im Buchladen der Uni und wir aßen zusammen Lunch. Es gab den Curry-Teller des Tages im Kharma-Cafe. Mit dem Essen setzten wir uns in den Uni-Hub, ein offener Innenraum, in dem Veranstaltungen stattfinden. Ein Raum zum Treffen und Austauschen also. Dort fand heute ein Treffen von Menschen statt, die aus dem Südseeraum zu kommen schienen. Einige trugen Blumenkränze im Haar, sehr schön und passend. So ganz habe ich nicht verstanden, worum es ging, aber das ist ja nichts neues. Obwohl es hier ja erheblich besser ist.

Wir drehten noch eine schnelle Runde durch den Botanischen Garten, dann musste meine Freundin wieder zurück an ihre Arbeit.

Im Botanischen Garten.
Das kann doch nicht wahr sein, oder?

Im Botanischen Garten gab es auch einen kleinen japanischen Gartenteil, der 1975 errichtet wurde. So verbinden sich meine Reisen.

Japanischer Garten.

Ich lief wieder in die Stadt, jetzt zum Te Papa, dem Nationalmuseum in Wellington.

Te Papa.

Die Ausstellungen im Te Papa sind in der Regel kostenlos, und so kann man einfach mal für ein Stündchen ins Museum und sich ein wenig weiterbilden. Ich schaute mir die Gallipoli-Ausstellung an, die sehr interessant war. Gallipoli ist eine Gegend in der Türkei, wo im ersten Weltkrieg Soldaten aus Australien und Neuseeland gegen türkische Truppen kämpften. Das war mir alles relativ neu. Unser Fokus vom ersten Weltkrieg liegt europäisch im Stellungskrieg in Frankreich. Hintergrund für die Kämpfe in der Türkei war, dass Winston Churchill einen Plan zur Sicherung des Suezkanals hatte. Die Türken kämpften auf der Seite der Deutschen, und die Australier und Neuseeländer unterstützten aufgrund des Commonwealth ihr Mutterland Großbritannien. Das ganze dauerte mehrere Monate und endete dann mit einem kompletten Rückzug der Truppen aus der Türkei. Die Ausstellung beleuchtete das Geschehen aus den Berichten verschiedener Soldaten, es waren auch kritische Stimmen dabei, so die Ansicht eines Arztes, der sich sehr aufopferungsvoll um die Verwundeten kümmerte. Auch in Gallipoli fand ein Stellungskrieg mit Gräben und Granaten statt. Die Soldaten waren vom Klima und schlechter Versorgung zermürbt. An verschiedenen Stellen waren überlebensgroße Figuren, bei denen man dann Aussagen und Geschichten hören konnte. Ich fand diese übermenschlichen Figuren aber so gruselig, dass ich nach der ersten diese Teile der Ausstellung mied.

Am Ende konnte man eine Papier-Mohnblüte falten. Mohnblüten werden im britischen Raum (und offenbar auch dem britisch-beeinflussten Raum) zur Ehrung der Soldaten verwendet, oft in Kränzen, aber eben auch als Einzelblüten. Die konnte man dann so einem überlebensgroßen Soldaten zu Füßen legen. Gleich danach war der Ausgang aus der Ausstellung und der Eingang in den Museumsshop. Das war ernüchternd.

Dann machte ich mich auf den Rückweg, dieses Mal den Berg hoch. Oje. Das war anstrengend. Aber es ist eine gute Vorbereitung für die Wandertouren.

Abends holten wir noch meine kleine Patentochter von den Pfadfindern ab, das war noch mal ein Abendspaziergang in den Botanischen Garten zur ältesten Pfadfinderhütte Neuseelands.

Dann war ich müder als die Kinder und schlief bald ein.